Camper Nomads Portraits | Jacob Guse – Moin, ich bin Jacob, Ostkind & Randberliner: 1988 geboren und behütet aufgewachsen in einem beschaulichen Brandenburger Örtchen, 30 km von Berlin Mitte – und außerdem ne Nordnase: weil ich die letzten 8 Jahre in Rostock an der Ostsee lebte und arbeitete.
Damit du mich verstehst, muss ich etwas ausholen:
2002 meinte meine Kunstlehrerin aus der siebten Klasse, dass ich gut zeichnen könne: Also besuchte ich die vier folgenden Jahre einen Zeichenzirkel. Und das dort leitende Künstlerehepaar war davon überzeugt, dass ich ein gutes Auge habe und Grafik-Design genau das Richtige für mich wäre: Also begann ich, genau das zu studieren. Dabei lernte ich ein Mädchen kennen. Wir zogen nach unserem Abschluss nach Hamburg und starteten in die Arbeitswelt. Später zogen wir an die Ostsee und ich bekam meine erste unbefristete Stelle bei einem visionären Erdbeer-Bauern nahe Rostock.
Zwischenstand auf meiner Bucket List: Beziehung, Einkommen, Freunde – abgehakt. Fehlt noch: Hochzeit, Eigenheim, Kinder, Rentenplan. So weit, so gut. Alles wie es sein soll und mehr brauchte ich nicht. Nur meine Freundin begriff irgendwann, dass etwas nicht stimmt. Ich lebte wie im Tunnel und merkte es nicht. Für uns beide war das die erste richtige Beziehung. Vorher gab es nichts weiter. Der Gedanke kam auf: Wäre es nicht schade, schon jetzt den Deckel draufzumachen, ohne zu wissen, was da noch so alles im Topf sein könnte?
Wir trennten uns schließlich im Guten. Für sie war es erstmal auf Zeit, für mich das Kapitel abgeschlossen. Und erst jetzt machte es bei mir Klick. Damit rüttelte sie mich auf und ich begann zu hinterfragen, ob ich das alles wirklich schon will. Heute bin ich ihr für diesen Denkzettel unheimlich dankbar. Ihr Gefühl lag richtig und meine Suche sollte erst beginnen. Und wirklich, nie zuvor stelle ich mir grundlegende Fragen, wie: Was will ich? Wohin will ich? Fehlt mir was? Reicht mir das? Denn bis dato unbewusst, ließ ich mein Leben einfach laufen.
Der Weg zum Camper Nomade
Ich brauchte dann nach der Trennung erstmal Urlaub und bewanderte den Malerweg. Selbstfindungstrip. Das Erlebnis blieb haften und ich investierte all meine Ersparnisse für Ausrüstung und Hiking-Abenteuer in den Bergen. Familie, Freunde und Kollegen lernten mich neu kennen: Als den ruhigen Typen, der alle immer damit nervt, dass er so aktiv und sportlich ist. Ich entdeckte meine Kindheit wieder. Denn früher musste ich immer auf alles raufgeklettern: Wer mich damals auf Familienfeiern suchte, fand mich höchstwahrscheinlich in der nächstgelegenen Baumkrone sitzend, die Aussicht genießen.
Ich war nie der Tänzer auf Partys und eher schüchtern, introvertiert. Jetzt jedoch feierte ich mit lauten Beats mein neues Freiheitsgefühl. Die Pärchenblase war weg. Nichts hielt mich mehr. Ich besuchte lokale Events wie 12min.me und lernte Leute kennen, mit ganz anderem Mindset als meinem. Die schauen über den Tellerrand des 9-to-5-Life und wollen was losmachen. Dieses Umfeld und meine zufällige Teilnahme bei einer RTL Show öffneten mir so einige Türen in meinem Hinterkopf. Irgendwann wurde klar: Alle Türen stehen wieder offen. Warum also nicht das verpasste Auslandsjahr nachholen und die Welt bereisen? So kündigte ich vier Jahre nach der Trennung meinen Job und verließ endlich im August 2017 mein gemütliches Sofa. In meiner Tasche: gerade mal 7.000 Euro.
Hier bin ich also heute: Unterwegs auf Neuseelands Straßen und reise mehr, als dass ich arbeite. Zum Leben auf 4 Rädern bin ich aber nur gekommen, weil man das hier so macht. Ich kaufte mir anfangs in Auckland für 3.600 Neuseeland-Dollar (ca. 2.200 Euro) einen Honda CRV. Einen eher kleinen Geländewagen, bei dem die Sitze zum Bett umgeklappt werden können. So blieb mir ein Umbau erspart. Viele auf diese Weise Reisende hier kommen gerade erst vom Abi oder studieren noch und halten sich mit Aushilfsjobs über Wasser. Mein Auto und ich haben aber mittlerweile nach acht Monaten über 13.000 Kilometer abgefahren und schon mehr von Neuseeland gesehen als von Deutschland. Ich liebe meine neue Freiheit, bin heute hier und morgen dort.
Auf dem Weg zum Business on Wheels
Die letzten Jahre arbeitete ich immer nur an einem Ort. Und das, obwohl ich den idealen ortsunabhängigen Beruf gelernt habe. Als mir das vor zwei Jahren bewusst wurde, stellte sich nur eine Frage: Wie kann ich meine Profession mit meinen Interessen verbinden? Die Antwort war ganz einfach: Zeige dich und tue das, was du magst, authentisch und ehrlich. So kam eins zum anderen und aus einigen Rostocker Bekanntschaften entwickelten sich bis heute treue Kunden – Sogar durch Begegnungen im Co-Working Space und beim Couchsurfing.
Da sind zum Beispiel Torsten und Thomas: Outdoor-Fans, die Wander-Events organisieren, um ihre Begeisterung zu teilen. Thomas ist noch der verrücktere von beiden: Fuhr mit seinem Fahrrad von Deutschland nach Peking und schrieb sein Buch #G9toBeijing darüber. Seine nächste Tour startet er schon im September: Wieder von Gnoien in MV über Bremen, New York und L.A. bis nach Rio de Janeiro. Dann ist da noch Christoph mit seinem Container Hostel in Warnemünde, den ich nur durch Zufall kennenlernte. Ich verkaufte ihm meine National Geographic Magazin-Sammlung bei meiner Wohnungsauflösung. Die hat jetzt einen angemessenen Platz in der Hotel-Lobby und ich darf alles Mögliche für sein Business gestalten.
Als ich jedoch aufbrach, war mein eigenes Business nur lapidar aufgestellt. Heute immer noch nicht besser. Aber das ist okay. Die letzten Jahre arbeitete ich ja gefühlt fast mehr, als dass ich lebte. Somit steht Reisen erstmal ganz klar im Vordergrund.
Angekommen (fast)
Butter bei die Fische – Hier kommen die unromantischen Fakten:
Mein Projekt hat sich vom Hiking-Journal ab 2013 zur heutigen Naturberg Design Co. weiterentwickelt. An selbst auferlegten Arbeitstagen sitze ich also in der Bibliothek oder dem Camp-Aufenthaltsraum, habe Rockmusik auf den Ohren und entwerfe Brandings, Websites und Merchandise bevorzugt für Outdoor-Abenteuer und nachhaltige Projekte.
Solange mir keine Öffnungszeiten in die Quere kommen, sind mir Zeiten völlig egal. Standard-Tagesabläufe oder Routinen habe ich kaum. Wenn ich erstmal voll im Tunnel bin, arbeite ich auch gerne Nächte durch und vergesse darüber hinaus mein Hungergefühl oder andere Bedürfnisse. Vermutlich bin ich ein Phasen-Mensch und schaffe mehr, wenn ich Dinge in gewissen Gemütslagen erledige.
Im Schnitt arbeite ich gerade mal 20 Stunden im Monat für Kunden. Richtig leben kann ich davon also nicht und ich muss von Ersparnissen zehren. Weil Neuseeland ein teures Pflaster ist, brauche ich pro Woche um die 150-200 Neuseeland-Dollar (90-120 Euro) zum Leben. Das meiste Geld geht für Benzin drauf, danach kommen Verpflegung und Unterkunft.
Mein Auto ist nicht Self Contained, hat also keine Toilette oder Grauwasserbehälter an Board, und so darf ich kaum irgendwo kostenlos stehen. Das mache ich oftmals aber doch: in öffentlichen Naturschutz- oder Wohngebieten. Alle paar Tage gönne ich mir einen guten Campingplatz mit unbegrenzter, heißer Dusche und ordentlicher Küche zum Kochen. Dazwischen stehe ich auf günstigen Billig-Campingplätzen oder verbringe Nächte in Berghütten.
Nu wird’s wieder romantisch:
In den letzten 8 Monaten durfte ich so einiges erleben:
Während ich auf endlosen Ständen – in den unterschiedlichsten Sandfarben stromerte und geschmückt mit verrückten Steilküsten, charmanten Leuchttürmen und weiten Sanddünen-Wüsten – ließ ich mir die Sonne auf meiner Haut brutzeln, während diese in ihren strahlendem Licht am Firmament auf und ab wanderte.
Hier stehen mystische Wälder, verschlafene Täler inmitten rauer Berglandschaften, unwirkliche Wüsten- & Mondlandschaften und der traumhaft schöne Sternenhimmel im krassen Kontrast zu verlassenen Örtchen, antiken Boutiquen, überfüllten Einkaufspassagen, Touristen-Magneten, Maori-Traditionen und Kriegsdenkmälern.
Wer mag, kann sich in den verschiedensten Freizeitaktivitäten verausgaben. Ich paddelte auf dem Whanganui River & Lake Taupo; war Mountainbiken in Opotiki & Rotorua; wanderte auf Great Walks in Tongariro, Waikaremoana und auf anderen unbekannten Pfaden; erklomm unzählige Gipfel: Ngauruhoe, Hikurangi, Taranaki, Maunganui, Robert, Angelus, Avalanche, Marquee, Ollivier, Roy, Ben Lemond – um nur einiges aufzuzählen.
Ich könnte noch so vieles mehr auflisten. Verstehst du, was ich dir damit sagen will? Ein Leben auf Rädern plus ortsunabhängigen Job ermöglicht dir so viele Freiheiten. Die hatte ich vorher einfach nicht. Wer kann trotz Job schon behaupten, heute hier und morgen dort sein zu können? Am Anfang war das ganz schön ungewohnt und musste mich echt selbst disziplinieren. Es fällt jedoch alles viel leichter, wenn du das tust, was dir Spaß macht.
So bin ich jetzt Vollzeit-Urlauber und nur nebenbei freier Grafik-Designer. Auf meiner Reise stehe ich zwar noch ganz am Anfang, jedoch zählt für mich in erster Linie, dass ich auf meinem Weg bin und schon das tue, was ich gerne mache. Nicht irgendwann später. Sondern JETZT.
Tipps für deinen Weg zum Business on Wheels
Diese drei Punkten helfen mir immer wieder die Peilung beizubehalten und auf meinem Weg zu bleiben:
Geh vor die Tür und zeige dich
Fiel dir was auf, als ich von meinen Kunden sprach? Die sind genauso verrückt wie ich oder teilen meine Ansichten und Interessen. Genau das passiert, wenn du dich so zeigst und darstellt, wie du bist: Du ziehst Menschen an, die zu dir passen und im besten Fall deinen Preis bezahlen. Sie werden schätzen, was du machst. Das kannst du auch auf dein Business umlegen: Wenn du es authentisch und transparent bewirbst, dann erreichst du genau die Leute, die dein Angebot wertschätzen. Alle anderen passen entweder nicht oder machen nur Schwierigkeiten.
Bleibe locker und genieße den Weg
Alles andere ergibt ja auch keinen Sinn, oder? Ich habe bisher immer die einfache Richtung an einer Abzweigung eingeschlagen und bin damit gut gefahren. Aber auch sich mal stressen lassen gehört genauso dazu. Denn unsere Gefühle teilen uns immer etwas mit – So, wie gute Freunde mit ihren Ratschlägen. Frag dich einfach: Was will mir das jetzt sagen? Nur deine eigenen Reaktionen beeinflussen dein Leben, egal ob gehandelt oder gedacht. „Du wirst morgen sein, was Du heute denkst“ – Buddha
In der Komfortzone bleiben, ist voll erlaubt
Du musst gar nicht täglich über dich hinauswachsen, um etwas zu erreichen. Wenn du und dein Business authentisch sind, kommt alles andere fast von selbst. Dafür sorgen Universum, Schicksal, Karma. Zwinge dich nicht und mach einfach nur das, worauf du Lust hast, ununterbrochen. Wenn ich mal ein Tief habe, stelle ich mir gerne diese Fragen: Was macht dir Spaß? Was motiviert dich? Was sind deine Ziele? Und vor allem: Hast du heute schon etwas dafür getan? Interessiert dich etwas wirklich oder du willst etwas erreichen: Was machst du dann? Du packst es einfach an. Auch wenn du dabei Bammel hast. Nervenkitzel gehört einfach dazu und macht das ganze doch erst recht spaßig – oder nicht?
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