Mit der Tuba als Musiker im Van durch Europa
Heyho Camper Nomads-Community,
ich bin Jonas, Musiker, Musikproduzent und, wie ihr alle, Reisender. 🙂
Nachdem ich schon eine Weile ohne Bus OnTheRoad gelebt hatte, erfüllte ich mir 2018 den Traum vom eigenen Bus, ein Transit L2H2: Gerade noch kompakt genug, um flexibel zu sein, aber auch groß genug, um ein mobiles Studio einzubauen, und alles, was man so zum Leben braucht.
Nach meinem Musikstudium hatte ich mich dazu entschlossen, auf die Belastung einer Miete zu verzichten, um konsequent das zu machen, was ich künstlerisch und persönlich interessant fand. Also lebte ich zwei Jahre lang ohne Wohnung und war mit meiner Tuba, Rucksack, Koffer und Schlafsack als freischaffender Musiker unterwegs. Ich schlief bei Freund*innen, in Nachtzügen und Fernbussen, machte auch mal eine Nacht am Bahnhof durch und beobachtete die Menschen, die diese Parallelwelt mit mir teilten.
Von der Idee und Umsetzung, als Musiker im Bus zu leben
Als langsam die Arbeit anspruchsvoller wurde und auch meine Kräfte zu Ende gingen, die ich brauchte, um mit dem ständigen Ausgesetzt-Sein klarzukommen, musste ich etwas ändern. Die Option lag nahe, mir den Traum von einem Bus und rollendem Studio zu erfüllen.
Also setzte ich mir eine Deadline in einem halben Jahr, bis Mai 2018. Bis dahin wollte ich die Finanzierung und den richtigen Bus gefunden haben. Ich konnte tatsächlich am 4. Mai meinen Transit Probe fahren und mitnehmen.
Ich zog direkt mit einer Matratze in den ‚Rohbau‘ ein und hatte nun den Luxus eines eigenen Rückzugsortes auf Probephasen und Konzerttouren. Außerdem konnte ich die Strecken und die Tage zwischen den Städten und Projekten in der Natur genießen. Was für ein Luxus!
Nach und nach, immer wenn ich irgendwo ein paar Tage Zeit, ein bisschen Geld und Werkzeug hatte, baute ich an meinem mobilen Studio weiter. Das war ein ganz schöner Kraftakt, aber “der Weg ist das Ziel” und ich habe unglaublich viel über mich (und Solaranlagen ;)) gelernt.
Inzwischen hat mein Transit L2H2 alles, was ich zum Leben und Arbeiten brauche: vom mobilen Internet, Solaranlage, einem super kompakten Raumkonzept und genug Stauraum bis hin zur akustischen Optimierung.
Wie finanziert sich ein Musiker OnTheRoad?
Für mich war klar, dass es verschiedene Bedürfnisse zu erfüllen gibt, deshalb habe ich mich entschlossen, Freiheit und Sicherheit aus zwei Perspektiven zu begegnen.
Ich suche stets nach der Freiheit, das zu tun, was sich für mich sinnvoll anfühlt und was ich liebe: Mit Klang gestalten und Geschichten erzählen, Menschen kennenlernen und über’s Leben lernen.
Daraus entstand das Projekt InTubaWild, für das ich an verschiedenen Orten Musiker*innen finde und kennenlerne, indem wir gemeinsam ein Musikstück, aus dem Moment, aus dem Ort, aus der Stille heraus erschaffen und aufnehmen. Das schafft Verbindung und Vertrauen, die wir in ein Gespräch über Kunst, Gesellschaft und das Leben mitnehmen.
Diese Musikstücke und Interviews veröffentliche ich als Podcast und Musikstücke (InTubaWild).
Momentan liegt das Projekt leider auf Eis, weil für mich ungeplante und neugierige Reisen in einem gesellschaftlichen Klima der Unsicherheit nicht möglich ist. Ich freue mich aber schon sehr darauf, wieder Menschen zu treffen und mich zu challengen, noch ein paar mehr Vorurteile zu finden, mir anzuschauen und dann über Bord zu werfen.
Geld verdienen als Musiker
Mit InTubaWild habe ich ein erfolgreiches Crowdfunding gemacht, von dem ich mir Mikrofone für Musik-/Podcastaufnahmen und Lautsprecher für OnTheRoadKonzerte angeschafft habe. Allerdings kann ich von dem Projekt nicht leben und will das auch nicht zum Ziel machen. Die unvoreingenommene Erfahrung und die künstlerische Spontanität soll sich nicht mit den wirtschaftlichen Nöten messen müssen.
Deshalb habe ich das Projekt SoundWERK entwickelt. Auch hier war die Grundlage, zu schauen: Was liebe ich zu tun, was kann ich gut, was will ich gerne lernen und wie kann ich damit Geld verdienen.
Und so besuche ich inzwischen regelmäßig Orte, Werkstätten, Fabriken, Naturräume, etc. und nehme dort Klänge auf. Oft bin ich gemeinsam mit Videokünstler*innen vor Ort und fange die Atmosphäre, die Geschichten und auch den Vibe der Menschen ein, die diese Räume geschaffen haben.
Aus diesen rohen Klang- und Videoaufnahmen komponieren wir dann SoundWERKe. Der Ort selbst wird zum Instrument, auf dem der eigene Soundtrack die Geschichte erzählt.
Dabei verstehe ich mich als Künstler, der mit einem Blick aus einer neuen Perspektive die alltäglichen Gegebenheiten anders wahrnimmt und diese Wertschätzung in Klang wieder ausdrückt.
Mit SoundWERK entstehen Musikvideos in einer Goldschmiedewerkstatt, klassische Konzerte in einer Eisengießerei, interaktive Soundinstallationen in einer alten Münzfabrik und ganz viele Begegnungen und Einblicke in das Leben von Menschen, die ihre Arbeit lieben und ihre Freude daran teilen.
Teilweise werden die SoundWERKe als Marketing für Firmen verwendet, teilweise sind es Kunst- und Kulturprojekte, die anderweitig finanziert sind.
Wie organisiert sich ein Musiker OnTheRoad?
Bei mir läuft fast alles digital, von der Post über den Kalender bis hin zu einem großen Notizsystem in Evernote mit tags, die mich Notizen nach Projekten, Orten und Personen durchsuchen lassen.
Das hilft sehr, um Routen effizient zu nutzen. Beispiel: Wenn ich von Stuttgart nach Berlin fahre und eine Woche Luft habe, kann ich schauen, ob in Frankfurt, München, Weimar oder sonstwo grob auf der Route etwas ansteht und meine Wege entsprechend planen.
Das hilft sehr beim Netzwerken… Außerdem habe ich in meinem GoogleCalendar einen Kalender nur für Reisen. Dort trage ich ein, wann ich wo bin und wann ich von wo nach wo fahre.
Generell versuche ich, so viel wie möglich Organisatorisches aus meinem Kopf in den Computer zu packen, um nicht im Overload von Optionen zu ersticken.
Außerdem speichere ich in GoogleMaps Orte, an denen ich schlafen, ungestört Tuba üben oder ohne großes Bitten und Betteln Wasser bekommen kann.
Die drei wichtigsten Learnings eines Musikers
- Die Welt ist ein unendlich großer Topf von Möglichkeiten, und wenn es mir gut geht, kann ich einfach reingreifen und mir welche heraussuchen. Das nennt man dann oft ‚glücklicher Zufall‘. Deshalb nehme ich mir viel Zeit und Energie, um zu schreiben, zu reflektieren, für Sport und Meditation. Die Effizienz kommt dann auf anderen, kreativeren Wegen ins Arbeitsleben.
- Ablehnung gegen meinen Way-of-Life resultiert aus den Ängsten der Menschen. Oft stellt sich heraus, dass es die Sorge um einen vermüllten Platz war oder dass sich Menschen einfach nur Sorgen gemacht haben, dass ich im Bus übernachte. Es lohnt sich oft, mit einem offenen Geist und Herzen ein bisschen dran zu bleiben, um aus einem Kampf eine Situation zu machen, bei der sich beide gesehen fühlen und bereichert weitergehen. Manchmal auch mit der Einsicht für mich, dass ich hier wirklich nicht schlafen sollte. Dieses Ideal würde ich gerne öfter selber schaffen und arbeite jedes mal ein bisschen weiter daran. 😉
- Tiefere Entwicklung braucht Beständigkeit. Mein größtes Learning durch die Zwangspause in der Pandemie ist, dass es für mich nicht funktioniert, nur zu sammeln (Eindrücke, Geschichten , Erlebnisse, Erkenntnisse, usw.). Ich brauche Raum und Sicherheit, damit dieser Schatz sich in mir entfalten kann und zu persönlicher und künstlerischer Entwicklung führt.
Shownotes:
->Text und Fotos von Jonas
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